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Zimmer und brachte die Düfte all der Rosen da draußen mit. Daahlen schwieg. Sein Gesicht nahm einen weichen, hilflosen Ausdruck an. Und auch ich dachte: „Claudia, Claudia“ – es war mir, als sei sie durch das Zimmer gegangen. Selbst der Diener neigte das bleiche Gesicht ein wenig auf die Schulter und schaute mit seinen ausdruckslosen Augen wehmütig ins Leere.

„Sie,“ sagte Daahlen zum Diener, „sagen Sie Fräulein Julchen, sie soll uns von dem ganz alten Kognak schicken, den in der Ecke, sie weiß, und die großen englischen Gläser, gut mit Eis ausgekühlt. Dieser Kognak,“ wandte er sich an mich, „hat noch im Keller Ludwigs XVIII. gelegen, während der Katastrophe mag ein Kellermeister ihn gestohlen haben; ich habe ihn von einem Pariser Bekannten. Ich sage Ihnen, dieser Kognak ist unter den Spirituosen, was das Genie unter den Menschen ist.“

Der Kognak kam. Daahlen beugte sich über sein Glas und atmetete den starken Duft ein. „Ah, das wärmt die Seele.“ Als der Diener gegangen war, beugte Daahlen sich mir vor und schaute mich aus verschleierten Augen an und sagte leise: „Lieber, junger Freund, was werden Sie denken, wenn ich

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/243&oldid=- (Version vom 18.8.2016)