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Toni plauderte vor sich hin von anderen Sonntagen, an anderen Ausflugsorten mit anderen Herren – wie das so schön gewesen wäre.

Ich schloß die Augen. – Ich wollte wieder die Vision in rotgoldweiß und lavendelblau haben. – Gott! aber auch auf mir lag die feiertägliche Trägheit. Das mit der Vision und Claudia und mir – das war so kompliziert und das faule, rosa Mädchen neben mir war so einfach und selbstverständlich. Mir vergingen die Sinne, ich schlief wohl ein wenig.

Dann hörte ich Toni vor sich hinsingen, eintönig und schläfrig. Ich schlug die Augen auf. Auf ihren Ellenbogen gestützt, lag sie da, – die Füße hoben und senkten sich taktmäßig.

Zwischen den Lippen hielt sie einen Grashalm und in der Hand einen Wacholderzweig, mit dem sie langsam auf den Boden schlug. – „Rai – la – la – la.“

„Toni,“ sagte ich, „hast du – früher einmal – das Vieh gehütet?“

Toni schaute auf.

„Sie haben geschlafen. – Das Vieh? Ja, da unten bei uns habe ich die Schafe gehütet.“

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/214&oldid=- (Version vom 31.7.2018)