Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen | |
|
kräftigen Takt ihres Blutes in Schlaf gewiegt. Für das, was mir mit diesem Mädchen begegnet, muß sich doch auch eine Formel finden lassen. – –
Heute war ein schlechter Tag. Gleich beim Erwachen spürte ich das. Frühmorgens war ein Gewitter niedergegangen, das wirkte wohl noch auf meine Nerven. Die Luft war kaum abgekühlt, die Sonne stach wieder.
Eine unangenehme Nüchternheit war in mir, die allem widersprach, was ich gefühlt hatte, die höhnte und mit allem in mir zankte. Claudia war fern und fremd. An allem war überhaupt nichts. Dazu kam noch, daß Joseph beim Frühstück erzählte, er sei heute morgen der Baronin Daahlen begegnet. „Sie ritt. Der Stallknecht ritt hinter ihr. Der Baron Spall war auch dabei.“
Dieser Bericht erregte in mir ein Gefühl unendlichen Widerwillens – so ein körperliches Unbehagen. Ich mußte den Tee und das geröstete Brötchen, das ich eben sorgsam mit Butter bestrichen hatte, stehen lassen. Die eigentlichen Erscheinungen der Eifersucht sind das nicht. Ich bin
Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/201&oldid=- (Version vom 31.7.2018)