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Die Dämmerung war gekommen. Durch die Blätter der Kastanien blitzte der Mond.

„Gehen wir ein wenig“, schlug ich vor.

Toni stand gehorsam auf, strich ihr Kleid glatt und nahm die Pappschachtel. Langsam gingen wir die Allee hinab und bogen in die kleinen, finsteren Nebenwege ein.

„Nehmen Sie nicht meinen Arm?“ fragte ich.

„Ich bin so frei“, erwiderte Toni. Sie nahm meinen Arm, wie alle diese Mädchen unsere Arme nehmen. Sie hängen sich ein wenig schwer ein, drücken unsern Arm leicht gegen ihre Brust. Zu sagen hatten wir uns nichts. Es war auch genug, so aneinandergelehnt zu spüren, wie unser Blut den gleichen Takt hielt – es tanzte zusammen. Und Tonis hatte einen friedlich-energischen Takt. Wenn an einer Biegung des Weges plötzlich die Mondhälfte in einem hellen, leeren Himmel sichtbar wurde, dann blinzelte Toni hinauf und sagte: „Wie schön. Ach, überhaupt der Mond.“

„Gehen wir zu Bohrer essen“, schlug ich vor.

„Das ist ja nicht nötig“, meinte Toni, „heute am Werktag.“

Wir gingen doch hin. Auf der stillen Veranda

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/198&oldid=- (Version vom 31.7.2018)