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„Sie heißen Toni?“ sagte ich.

„Wie wissen Sie?“

„Sie sehen so aus.“

„Ja, Toni Ledrer, ich bin bei Großmann im Handschuhladen in der Herrnstraße.“ – „O ich weiß, das ist der große Laden, in dem es immer so dämmerig und feierlich ist. Eine strenge, ältere Dame mit einer goldenen Brille sitzt an der Kasse und die jungen Mädchen streichen ganz still und ernst den Kunden die Handschuhe über die Hände.“ – „Die Alte ist böse“, beichtete Toni, „und sprechen darf man gar nicht und wenig sitzen.“

„Dann kommen Sie abends hierher, um zu sitzen und zu sprechen?“

„Ja, wenn wer da ist zum Sprechen,“ meinte Toni träumerisch. „Ich wohne so hoch, da sind die Nächte so heiß. Man hat keine Lust zu Bett zu gehen.“

„Sie haben wohl so eine kleine Lampe mit gelbem Licht und stehen ganz weiß vor dem Spiegel und heben die Arme hoch, um sich das Haar aufzubinden“ – –

Toni sah mich erstaunt an: „Nun ja, – wie soll man das anders machen?“

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/197&oldid=- (Version vom 31.7.2018)