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ein rundliches, blondes Mädchen. Sie legte die Pappschachtel, die sie trug, neben sich auf die Bank. Müde streckte sie die Füße von sich, klappte die Spitzen der gelben Schuhe aneinander. Den kleinen Knabenstrohhut schob sie ein wenig zurück, einige feuchte blonde Löckchen kräuselten sich auf der Stirn. Das Gesicht war rund und rosa, hübsch weich waren die nemophilenblauen Augen zwischen die ein wenig fetten Augenlider gebettet. So ein ruhevoller Friede lag über der Gestalt. Es war ordentlich beruhigend, daß dieses Mädchen neben mir saß. Sie schaute zu mir herüber und dann wieder fort – wie sie das alle tun. Diese Mädchen brauchen alle ruhig und sicher dieselbe Methode – wie beim Bügeln oder Handschuhanziehen. Wenn sie sich bewährt hat, wozu eine neue suchen? So begann ich mit ihr zu sprechen: – Es war heiß. – Ja, es war heiß. – Sie wollte wohl hier warten, bis es kühl wurde. – Freilich, das wollte sie. – Wartete sie sonst noch auf jemanden? – Nein, auf wen denn? – Nun, man ist doch zu zweien an Sommerabenden. – Das wohl – aber sie hatte keinen. – War er fort? – Ja – fort. Ein tiefer Seufzer straffte die rot- und weißgestreifte Bluse.

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/196&oldid=- (Version vom 31.7.2018)