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erzählte Claudia weiter und ich glaubte ihrer Stimme anzuhören, daß sie lächelte. „Viel wurde für diesen Garten nicht getan. Nur Kohl war da gepflanzt und die Obstbäume waren vermoost. Aber viel Stachelbeeren waren da. Auch die waren zurückgegangen, sie waren klein und haarig geworden. Bei denen lagen wir gern. Wenn die Sonne auf Stachelbeerbüsche scheint, das riecht nach warmer Wolle, nicht wahr?“

„Ja – ich – ich erinnere mich recht –“

„Ja und das ist einsam, wir lagen da, aßen die kleinen haarigen Beeren – und warteten, daß etwas kommen sollte.“ Gott! Wie deutlich ich sie sah, die Mädchen mit den hellroten Haaren und schlechtsitzenden Kleidern und den schönen, wartenden Gesichtern bei den besonnten Stachelbeerbüschen – –

„Und es kommt immer“, sagte ich.

„Ja – natürlich“, erwiderte Claudia.

„Und dann“, fuhr ich fort – ich unterstrich die Worte –, „dann müssen wir gehorchen.“ Vielleicht etwas lebhaft kam das heraus.

Claudia blieb stehen. Ihre Stimme wurde jetzt leise vor Erregung: „Nicht wahr, wir müssen – ganz gleich, wir müssen.“

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/192&oldid=- (Version vom 31.7.2018)