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Strom gewaltsamen Sonnenlichtes in das Zimmer ließ, daß das gestrige Erlebnis fort war oder doch nur wie ein Traumbildchen vor mir stand, das vor der Morgensonne in eine verschleierte Ferne rückte.

Etwas war doch geblieben, eine mir ungewohnte Freude daran, den Tag zu beginnen, als stände etwas Angenehmes bevor. Und als ich dann meinen Tee trank, die Zeitungen und die Briefe las, wollte der gestrige Besuch bei Daahlens fast ein gewöhnliches Gesicht annehmen. Ein Teebesuch – eine hübsche Frau – was weiter. Ich konnte das Mystisch-Verhängnisvolle darin nicht mehr so recht finden, dessen ich gestern doch so sicher war. Ich mußte plötzlich an die Zeit denken, da ich als Gymnasiast in den Sommerferien meine Cousine Alma liebte und am Morgen erwachte, froh den verliebten Tag zu beginnen. Aber es war doch da –, nur daß am Morgen unser Denken wacher ist und dieses Denken ist dem Fühlen gegenüber so plump. Das Feinste unseres Denkens liebt die Dämmerung wie Claudias Augen.

Am Vormittage bin ich gewohnt zu arbeiten. Die goldene Kette muß zurückgestellt werden. Einer leichten, etwas mechanischen Arbeit bedurfte ich jetzt.

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Eduard Keyserling: Seine Liebeserfahrung. In: Bunte Herzen. Fischer, Berlin 1909, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bunte_Herzen_(Keyserling).djvu/177&oldid=- (Version vom 31.7.2018)