Direktoire-Zeit nach China kam, und die Sie von Pekinger Palastbeamten erstanden und mir unter dem Weihnachtsbaum aufbauten. Das Piedestal ist noch ganz im Stile Ludwig XVI. mit Delphinen und feinen Guirlanden geschmückt; darüber erheben sich vier Drachen, die die Uhr tragen, kuriose Geschöpfe, in denen der französische Künstler möglichst dem nahe zu kommen suchte, was ihm als chinesisch vorschwebte. Über der Uhr, auf einer kleinen Weltkugel, steht ein gallischer Hahn, der offenbar nach Freiheit kräht, aber ein so skeptisches Gesicht macht, als glaube er schon längst nicht mehr daran.
Als Sie mir diese Uhr schenkten, sagten Sie: »Die paßt so gut zu Ihnen: ein Fundament altererbten Geschmacks, der von vielen Generationen herstammt; die Drachen, der Hang zum Absonderlichen, der Zug zum Unbegreiflichen, Mystischen, der in uns erwacht, je mehr wir sehen, daß das Exakte, Vernünftige, Realistische doch nichts erklärt und schließlich immer wieder alles mit einem großen Fragezeichen endet – und als Spitze des ganzen Gebäudes der kleine tapfere Hahn, der nach Aufklärung und Freiheit quand même ruft, der viel graue, trübe Tage erlebt hat und zu sagen scheint, nach all dem Krähen müßte die Sonne doch endlich aufgehen.«
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/78&oldid=- (Version vom 31.7.2018)