ich mir nicht zu erklären wußte, da ich mich weder schön noch abschreckend genug fühlte, um ein derartiges Interesse bei meinen Mitmenschen zu erregen. Das Rätsel löste sich aber bald. Nicht ich, sondern unser chinesischer Diener Ta-kwan-li war der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Während er gleichmütig neben mir stand, in jeder Hand eine Reisetasche, auf seinem guten runden Gesicht den Ausdruck vollkommenster Indifferenz, und die kleinen geschlitzten Augen so zugekniffen hielt, als lohne es sich gar nicht, sie zu öffnen, um diese ganz neue Welt zu betrachten, standen Herren und Damen um ihn herum, riefen andere herbei, ihn auch zu begaffen, und tauschten allerhand Bemerkungen über sein Äußeres aus. Der Orientale, dem doch alles so gänzlich neu und befremdend sein mußte, war dem westlichen Menschen mal wieder ganz überlegen durch seine angeborene und anerzogene Ruhe. Er zeigte weder Erstaunen noch Neugier und sagte nur: »Wenn sie mich genug betrachtet haben, werden sie wohl aufhören.«
Die unmittelbare Folge von Tas Aufsehen erregender Anwesenheit war, daß sich sofort Reporter der verschiedensten Zeitungen bei uns melden ließen. Sie waren voller Neugier, China und besonders die alte Kaiserin betreffend, über die sich
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)