und die Begeisterungsfähigkeit nur schlummerten, daß sie aber noch da sind und bloß warteten, wieder aufleben zu dürfen. Es ist so schön, lieber Freund, sich noch einmal freuen zu können – ohne besonderen Wunsch, ohne irgend welche eigennützigen Gedanken, die ganz eigene, harmonische Freude zu empfinden, die die Natur in uns erweckt, die klärt und beruhigt, und durch die das Sorgen, Fürchten und Trauern für ein Weilchen wie in fernem Nebel verschwimmen. In solchen Augenblicken kommt es uns zum Bewußtsein, daß wir selbst eben auch ein Stückchen Natur sind, trotz alles Künstlichen und Gequälten, das uns die Erbschaft von Hunderten von Generationen auferlegt hat, und für einen kurzen Augenblick scheint es uns möglich, zu werden, wie die Lilien auf dem Felde. – Für eine kleine Spanne Zeit vermag das Schöne uns von der Last des Erlebten, des Gewollten, des nie Erreichten zu befreien. Wir atmen einmal frei auf, möchten vergessen und verweilen – aber schon müssen wir wieder hinein in die Mühe und die Qual, die uns Leben sind. –
Doch auch für die kurze Rast sei diesen Wäldern Dank!
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)