ich nicht anders kann, weil mir ist, als bildeten diese Zeilen die letzte Brücke zwischen uns. Hörte ich auf, Ihnen zu schreiben, so wäre es mir, als bestätigte ich damit das entsetzliche Unheil, als hätte ich es geschehen lassen – so aber glaube ich, Sie zu halten, Sie zum Bleiben zu zwingen, weil ich Ihnen noch so viel, so sehr viel zu sagen habe. All unsere zusammen verlebten Jahre, von denen ich jetzt erst ganz fühle, wie sehr wir sie zusammen verlebt haben, sie ziehen in Bildern an mir vorbei; und ich möchte sie Ihnen schildern, und jeder Satz begänne dann: »Erinnern Sie sich? wissen Sie noch?« Ich weiß es ja, daß Sie noch wissen, daß Sie sich erinnern – denn jene Jahre sind Ihnen das, was sie mir sind – das worauf man von Anfang an gewartet, was man nie vergißt, was in letzter Stunde noch vor den Augen stehen wird, als einziges, was zu leben wertgewesen.
Während der letzten Zeit bin ich viel krank gewesen. Es ist, als ob meine Kräfte ganz allmählich schwänden. Jeden Morgen fühle ich, daß mein
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/240&oldid=- (Version vom 31.7.2018)