Zeiten noch keinen Wertheim gab und wir Hertzog sagten.
Beim Fortgehen bin ich einen Augenblick an der einen Tür stehen geblieben. Ja, wahrhaftig, da waren sie noch, ganz verblaßt, die Striche, die der Onkel machte, wenn er unser Maß nahm und unser jährliches Wachstum an dieser Tür verzeichnete. – Wo sind die kleinen Mädchen hin, die da vor dem Onkel standen und denen er zurief: »Kinder, nicht auf den Zehen stehen! nicht mogeln!« – Sie hatten es so eilig mit dem Wachsen – nun sind sie längst aus der alten Heimat hinausgewachsen.
Vergangenheit, Vergangenheit! –
Ich bin dann noch lange im Park gewesen, wo jetzt Butterbrotpapiere und leere Flaschen von Berliner Touristen unter die Büsche geworfen werden, wo das Unkraut in den Wegen und Beeten wächst, wo das Schilf immer mehr den Schloßteich überwuchert und wo es trotz aller Verwahrlosung doch noch immer so frühlingsschön ist – wie einst im Mai!
Mit dem letzten Zuge bin ich erst zurückgefahren. Ich blieb so lange als möglich, denn ich fühlte, daß ich das alles nie wiedersehen werde. Es war schon spät, als ich auf dem Bahnhof Friedrichstraße ausstieg. Ich ging zu Fuß bis zum Buckingham-Hotel.
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/160&oldid=- (Version vom 18.8.2016)