uns in tiefstem Herzen geschmerzt hat – aber ich fühle jetzt doch, daß ich dort angefangen hatte, etwas Wurzel zu schlagen – und dann – man trauert ja auch um die grauen Tage, wenn sie erst vorbei sind, weil sie eben nie wiederkehren können und mit ihnen ein Stück von uns selbst verstorben ist.
Seit den Gesprächen mit dem Provikar habe ich die Empfindung, als sei das China, das ich gekannt, auf immer dahin. Bis jetzt dachte ich, ich brauchte nur umzukehren, dann fände ich dort alles wieder, wie ich es verlassen habe – aber dem ist nicht so, man findet nie alles wieder, denn nichts bleibt still stehen, nicht einmal in China. Und nun quält mich die Angst, was werden wird, wenn der Provikar wirklich recht hat mit allem, was er prophezeit.
Wenn er doch in Europa durchdringen und es ihm gelingen möchte, noch rechtzeitig zu warnen! – Und dann sage ich mir wieder, ist es denn je gelungen, Ereignisse abzuwenden, Schicksale zu lenken? Menschen mühen sich ab, ängstigen und grämen sich, möchten helfen und bessern, und in allem, was sie tun, zum Nutzen oder Schaden anderer, was sie sich einbilden, aus freier Wahl zu tun, was ihnen als Versäumnis oder als Verdienst erscheint – in alledem sind sie vielleicht nur blinde
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/130&oldid=- (Version vom 31.7.2018)