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In dieser stillen Einsamkeit verlebte ich mehrere Wochen. Sie brachten mir zwar nicht die volle Gesundheit, boten mir aber doch Gelegenheit, Paris, zumal nach seiner kirchlichen Seite, gründlicher kennen zu lernen, als dies bei einem kurzen Besuche möglich ist.

Frankreich ist das Land der Gegensätze. Während französische Missionäre in großer Zahl den Heidenvölkern die Segnungen des Christentums brachten, verstanden es die Katholiken nicht, ihrer Religion in der Heimat die gebührende Freiheit zu wahren. An einem schönen Sommermorgen kam ich durch die Champs Elysées und bewunderte die prächtigen, sich weit hinziehenden Alleen. Es war der Fronleichnamstag, und unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke auf: Wie schön wäre es, wenn der Erzbischof von Paris das heilige Sakrament in feierlicher Prozession durch diese herrlichen Anlagen tragen könnte! Aber ach! so etwas ist in Paris nicht möglich; die Prozessionen sind auf das Innere der Kirchen beschränkt oder können höchstens den Weg um die Kirche nehmen, wenn dieser kirchliches Eigentum ist. Seit jener Zeit sind die Beschränkungen der kirchlichen Freiheit in Frankreich noch vermehrt worden. Ohne eine tiefgreifende Erneuerung des christlichen Geistes wird es nicht möglich sein, die Bande zu sprengen, welche die Kirche fesseln.

Die stillen Stunden, die ich im trauten Klösterlein der rue Monsieur zubrachte, wurden mir überaus angenehm durch die Lektüre der schönen Lebensbeschreibung der heiligen Franziska von Chantal von Bougaud; kaum jemals hat mir ein Heiligenleben solche Freude bereitet. Ich versuchte mich auch im Französischen und hatte sogar den Mut, den Klosterfrauen einige Konferenzen zu halten.

Hier machte ich die Bekanntschaft des Abtes der Grande Trappe, der Wiege des Trappistenordens, der mich freundlich zum Besuche seines Klosters einlud. Ebenso lernte ich hier den späteren Kardinal Mathieu, damaligen Erzbischof von Toulouse († 26. Oktober 1908), kennen. Er erbaute mich nicht wenig durch seine Demut. Als ich nämlich beim Abschied um seinen Segen bat, erteilte er mir ihn, kniete dann aber selbst nieder und nötigte mich, ihm gleichfalls den

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_84.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)