Seite:De Benzler Leben 78.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von nun an, mehr als bisher, ein Kreuzweg sein werde[1]. So lebhaft war dieses Gefühl in meiner Seele, daß ich bei der feierlichen Abtsweihe, die Bischof Wilhelm von Reiser von Rottenburg zu Beuron (am Feste Mariä Empfängnis 1893) vollzog, als ich mit Mitra und Stab unter dem Gesange des Te Deum vor dem Altare Platz nehmen mußte, mir vorkam wie der Heiland, da er am Kreuze erhöht wurde.

Das Amt des Abtes ist immer schwer. Der heilige Benedikt erinnert den Abt daran, »eine wie schwierige und harte Aufgabe er übernommen habe, Seelen zu leiten und den verschiedensten Charakteren


  1. Welche Gefühle ihn damals beseelten, zeigt ein Brief an seine Schwester vom 14. Oktober 1893:
    »Diesmal habe ich Dir eine wichtige, ernste Nachricht zu geben; es handelt sich um eine Sache, die mir sehr nahe geht und darum auch Dein Interesse finden wird.
    Der hochwürdigste Vater Erzabt hat mir vor einiger Zeit seinen bestimmten Entschluß mitgeteilt, die Leitung des hiesigen Klosters ganz auf meine Schultern zu legen, und wie er mir heute sagte, will er mich morgen zum Abte von Maria-Laach ernennen. Ich kann Dir nicht sagen, wie schwer es mir wird, diese Bürde auf mich zu nehmen, der ich mich so gar nicht gewachsen fühle; aber was kann ich tun, als im Gehorsam mich unterwerfen? Gott weiß, wie sehr ein solches Amt meinen Wünschen und Neigungen widerstrebt, und wie gerne ich mich ihm entziehen würde, wenn es geschehen könnte, ohne Seinem heiligen Willen zuwider zu handeln. Wenn es aber Gott gefällt, dies schwere Kreuz mir aufzuerlegen, dann darf ich auch zuversichtlich hoffen, daß Er mir die Gnade geben wird, es nach Seinem Wohlgefallen zu tragen. So will ich denn den Kelch nicht zurückweisen, den der Herr mir darreicht, ich will ihn trinken, wenn er auch bitter ist, hoffend, daß er mir nicht zum Tode, sondern zum Leben sein wird. Dich aber, liebe Schwester, bitte ich recht herzlich, mehr als sonst für mich zu beten, da ich der Hilfe von oben so sehr benötige. – Ich denke, daß der noch übrige Teil meines Lebens, mehr noch als bisher ein Kreuzweg sein wird. Möge der göttliche Heiland mir beistehen und durch sein Beispiel mich lehren, durch seine Gnade mich stärken, auch in der neuen, verantwortungsvollen Stellung ihm nachzufolgen, daß, wenn endlich die Prüfungszeit abgelaufen ist, ich nicht als unnützer Knecht befunden werde. Also nochmals, bete recht für mich!
    Der morgige Tag wird für Maria-Laach ein denkwürdiger sein. Vom Heiligen Vater bevollmächtigt, wird der hochwürdigste Herr Erzabt das hiesige Kloster wieder als Abtei errichten und nach einundneunzigjähriger Unterbrechung die Reihe der Äbte wieder eröffnen. Alles dies wird ganz still und einfach vor sich gehen. Die Abtsweihe soll ich später, wahrscheinlich an Mariä Empfängnis, im Mutterkloster empfangen, doch ist diese Bestimmung noch keine definitive…«
Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_78.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)