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Meine Obern, denen ich von dem, was in mir vorging, Mitteilung machte, rieten in väterlicher Weise ab; allein ich bildete mir ein, ihnen hierin nicht folgen zu sollen, da ihr Urteil befangen sei und die Kirche den Übertritt in einen strengeren Orden auch ohne Zustimmung der Obern gestattet.

Als so ein folgenschwerer Mißgriff zu befürchten war, kam der Herr mir zu Hilfe und sandte mir seinen Engel in der Person eines aus fernen Landen kommenden Bischofs.

Damals klopfte ein Benediktiner-Missionär, P. Jordan, an unsere Klosterpforte und bat um Gastfreundschaft. Dieselbe wurde ihm gerne gewährt. Der Gast erbaute uns durch seine Bescheidenheit und erfreute uns durch seine interessanten Mitteilungen. Doch bald machte man mich aufmerksam, es müsse mit unserem Gaste eine besondere Bewandtnis haben; einer der Unsrigen wollte ihn schon in Monte Cassino gesehen haben und zwar mit einem Bischofskreuz. Wir forschten im kirchlichen Jahrbuch nach und fanden, daß P. Jordan, unser Gast, niemand anders sein könne als Bischof Jordan Ballsieper O.S.B., Apostolischer Vikar von Dakka in Ostindien. Sogleich begab ich mich zu ihm, und als ich ihm unsere Vermutung mitteilte, sagte er betrübt: »Also bin ich doch entdeckt!«

Für mich war diese Entdeckung eine große Gnade. Ich fühlte großes Vertrauen zu diesem ehrwürdigen Missionsbischof und teilte ihm offen die Schwierigkeiten mit, in denen ich mich befand. Natürlich riet er mir, an keine Änderung zu denken, sondern auszuharren auf dem Posten, den Gott mir angewiesen habe. Er teilte mir Beispiele mit aus seiner reichen Erfahrung und beruhigte mich vollständig. Es war wieder Licht geworden in meinem Geiste. Die Versuchung war gänzlich gewichen. Große Freude erfüllte mein Herz und innige Dankbarkeit gegen Gott, der einen Bischof aus dem fernen Indien in unser weltentlegenes Kloster geschickt hatte, um mir in schwieriger Lage zu helfen. Auch dem edlen Bischofe bewahre ich zeitlebens das dankbarste Andenken. Von Seckau begab sich Bischof Ballsieper nach Maria Einsiedeln. Nach Indien ist er nicht

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_57.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)