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war freilich der Erneuerung des christlichen Geistes wenig günstig. Die Pfarrer gingen fast ganz in den Kanzleiarbeiten auf. Die Katechese war von der Pfarrseelsorge losgelöst und nach Schulen eigenen Katecheten überwiesen, die auch den Gottesdienst für ihre Kinder abzuhalten hatten an dem Orte und zu der Zeit, die ihnen gut schienen. Unsere Patres mußten da bald aushelfen und in verschiedenen Schulen die Katechese übernehmen.

Daß eine gewisse Vorliebe für den Natiohalhelden Johannes Hus noch nicht ganz geschwunden war, zeigte uns schön der Umstand, daß der zur Vorstadt Ziskow führende Bürgersteig im Pflaster Zeichnungen von Kelchen, den Emblemen der Utraquisten, aufwies.

Doch trat der katholische Sinn bei manchen Gelegenheiten in erbaulicher Weise in die Erscheinung. So war es ein erhebender Anblick zu sehen, wie das Volk in Prozession, mit dem greisen Fürsterzbischof Kardinal Schwarzenberg an der Spitze, betend von einer Kirche zur anderen zog, um einen päpstlichen Jubelablaß zu gewinnen.

Für Emaus war das größte Fest der zweite Ostertag. Da erfüllte von Morgens bis Abends eine gewaltige Volksmenge die Kirche und strömte durch den an diesem Tage geöffneten Kreuzgang, wo die bis zur Unkenntlichkeit verblaßten biblischen Freskobilder immer wieder aufs neue angestaunt wurden.

Doch kehren wir zum klösterlichen Leben zurück. Die belgische Abtei Maredsous war mehr und mehr herangewachsen und hatte uns die ersten jungen Professen gesandt, damit sie in Emaus ihre theologischen Studien absolvierten. Jetzt schien es nötig, das Scholastikat oder, wie wir es nannten, das Klerikat vom Noviziate zu trennen. Die Obern betrauten mich mit der Leitung des Klerikates. Inmitten dieser lieben, strebsamen Fratres erlebte ich angenehme und lehrreiche Jahre.

Aber nicht nur die geistliche Leitung des Klerikates wurde mir übertragen; P. Prior Benedikt hatte mich zu seinem Supplenten gemacht und nach einiger Zeit ruhte der ganze dogmatische Unterricht

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_46.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)