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Stätte, an der ich Gott dienen solle. Ich wollte den Gedanken abweisen; aber es half nichts, ich mußte ihm ins Auge schauen und mich mit ihm auseinandersetzen. Im Gebete erwog ich das für und wider, und mehr und mehr neigte sich die Wagschale zu Gunsten Beurons. Es schien mir, ich könne Gott besser dienen und das Heil meiner Seele sicherer wirken in einem stillen, zurückgezogenen Leben, als in einem Leben, das mehr der äußeren Tätigkeit gewidmet ist. Wohl empfand ich die Verzichtleistung auf den Eintritt in die Gesellschaft Jesu als ein sehr schweres Opfer; allein die Grundsätze des heiligen Ignatius führten mich selber zum Orden des heiligen Vaters Benedikt. So wurde die Überzeugung in mir immer klarer, daß Gott mich in Beuron haben wolle. Ich konnte nicht mehr daran zweifeln. Der Entschluß ward gefaßt, das Opfer gebracht!

Aber war mein Handeln nicht übereilt? Hätte ich die Sache nicht besser überlegen, mich gründlicher prüfen sollen? Schnell war meine Entschließung, doch nicht unüberlegt. Wenn der Wille Gottes sich mit aller erwünschten Klarheit zu erkennen gibt, dann soll man nicht zaudern: »Nescit tarda molimina Spiritus Sancti gratia« (des Heiligen Geistes Gnade kennt keine Mühe und kein Zagen)[1]. Ich habe meinen Entschluß nie zu bereuen gehabt, Gottes Güte hat mein Vertrauen überreich belohnt.

Eine Unterredung mit dem hochwürdigsten Herrn Abte, Dr. Maurus Wolter, bestärkte mich in meinem Vorhaben. Ich traf den Verfasser des großen Psalmenwerkes »Psallite sapienter«[2] bei der Erklärung des Verses: »Et dixi: nunc cœpi, hæc mutatio dexteræ excelsi« (Ich spreche: Jetzt fang ich an; die Änderung kommt von des Allerhöchsten Rechten) Ps. 76, 11. Diese Worte, die mir als ein Wink der göttlichen Vorsehung erschienen, haben mich oft gestärkt und ermuntert. Nachdem in dem sogenannten Skrutinium mein Beruf geprüft worden war, erhielt ich die Aufnahme und am 7. Oktober fand


  1. Hl. Ambrosius, Kommentar zu Luk. 2. Buch, n. 19.
  2. Psallite sapienter. Psallieret weise! Erklärung der Psalmen im Geiste des betrachtenden Gebets und der Liturgie, dem Klerus und Volk gewidmet. 5 Bände, 3. Aufl. 1904–1907.
Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_22.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)