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doch auch ein gewisses Wohlwollen zeigen, und daß wir im allgemeinen mit der Lage zufrieden sein dürfen. Allerdings bleibt des Unangenehmen genug übrig, und manche Härten müssen wir ertragen, die bei besserer Einsicht leicht vermieden werden könnten.

Daß alle diese Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten in mir den patriotischen Sinn nicht schmälern können, ist selbstverständlich. Ich fühle mit meinem Vaterlande; seine Leiden sind meine Leiden, seine Freuden meine Freuden. Mit lebhaftem Interesse verfolge ich das furchtbare Ringen in all seinen Wendungen und Ereignissen. Meine täglichen Gebete begleiten unsere tapferen Soldaten, und von Herzen erflehe ich von Gott einen baldigen, ehrenvollen Frieden.

Bald sind vierzehn Jahre verflossen, seitdem mir der Hirtenstab des heiligen Klemens in die Hand gelegt wurde. Es waren Jahre mühevoller Arbeit; hoffentlich waren sie nicht ohne Segen für die mir anvertraute Diözese. Gewiß, Gott hat geholfen. Wie oft ging es mir wie dem Wanderer im Alpenlande, der, rings von Bergen umgeben, keinen Ausweg mehr sieht. Wie aber doch stets ein Weg aus dem Gebirgslabyrinth hinausführt, so war es auch bei mir der Fall. Gott hat immer wieder den Knoten gelöst, die Schwierigkeiten behoben. Ihm sei Dank dafür. Dank aber auch den edlen Männern, die mir in der Verwaltung der Diözese so selbstlos, so unverdrossen zur Seite stehen; Gott lohne es ihnen.

Schon blicke ich auf eine lange Vergangenheit zurück. Was mir sorgende Liebe bei der ersten heiligen Kommunion ins Gebetbuch schrieb: »Steh auf und iß, denn du hast noch einen weiten Weg vor dir« (3 Kön. 19, 7), das ist zum großen Teil schon wahr geworden.

Und welches sind die Gefühle, die beim Rückblick auf die verflossenen Jahre meine Seele erfüllen? Gewiß, bei der Erinnerung an so viele Fehler und Versäumnisse, an so zahlreiche Untreuen im Dienste Gottes muß ein Gefühl tiefer Reue mein Herz durchdringen. Doch der Gedanke an Gottes Barmherzigkeit bannt jede ängstliche Furcht. Das Gefühl glücklicher Dankbarkeit gewinnt die Oberhand.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_131.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)