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Hier war es, wo uns die Schreckensnachricht von der Serajewoer Mordtat überraschte und der Ausbruch des furchtbaren Krieges[1] unser ganzes Denken und Sorgen in Anspruch nahm.

Erst in der zweiten Hälfte des August, nachdem die Schlacht in Lothringen geschlagen war, konnte ich nach Metz zurückkehren. Im Marienhospital zu Stuttgart sah ich die ersten Verwundeten. In Zweibrücken, wo ich übernachten mußte, erfuhr ich zu meinem Schmerze, daß fast sämtliche Männer des lothringischen Dorfes Dalheim ins Gefängnis abgeführt seien, weil sie sich gegen die deutschen Truppen feindselig benommen hätten. Das Dort Dalheim war aus diesem Grunde zerstört worden. Die kriegsgerichtlichen Verhandlungen endigten später damit, daß alle diese Einwohner von Dalheim freigesprochen wurden.

Auch was ich in Metz erfuhr, war wenig erfreulich. Die Militärbehörden hatten die Regierung übernommen und waren gegen die einheimische Bevölkerung, besonders auch gegen die katholische Geistlichkeit, mit einer Strenge vorgegangen, die alles vernichtete, was in den vierundvierzig Jahren deutscher Herrschaft mühsam aufgebaut worden war. Unberechenbare nationale Werte waren mit einem Schlage vernichtet.

Hatte das Land eine solche Behandlung verdient? Im großen Ganzen gewiß nicht. Die Stimmung zu Beginn des Krieges war so günstig und deutschfreundlich, als man es nur wünschen konnte. Aber seit Jahren hatte eine gewisse Presse gegen Elsaß-Lothringen gehetzt und die Militärpartei in ihren Vorurteilen mehr und mehr befestigt. Ohne Zweifel haben in Elsaß-Lothringen einige Zeitungen und gewisse Persönlichkeiten eine Politik verfolgt, die dem Wohle des Landes nicht dienen konnte. Allein das Volk als solches war friedlich, erfüllte seine staatsbürgerlichen Pflichten und hatte sich mit den bestehenden Verhältnissen abgefunden.

Der schlimmste Übelstand für das Land lag in seiner staatsrechtlichen Stellung. Seine Regierung entbehrte der vollen

  1. Vgl. den zwölften Abschnitt des Nachtrages.
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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_128.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)