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Er erholte sich nicht mehr und hielt es deshalb für seine Pflicht, den Heiligen Vater um Enthebung von seinem Amte zu bitten. Doch Pius X., der den Primas sehr schätzte, entschied, daß er im Amte bleiben, aber einen Koadjutor mit dem Rechte der Nachfolge erhalten solle. Das Breve, das der Papst aus diesem Anlasse an den Primas richtete, war für diesen ein letzter großer Trost. Zum Koadjutor wurde von den in Rom versammelten Äbten des Ordens mein Nachfolger in Maria-Laach erwählt, Abt Fidelis von Stotzingen, der nach dem Tode des Primas Hildebrand sogleich an seine Stelle trat.

Abt Primas Hildebrand war ein außergewöhnlicher Mann. Mir ist niemand auf meinem Lebenswege begegnet, der über eine so hervorragende und allgemeine Begabung verfügt hätte, wie er. Dabei besaß er die edelsten Eigenschaften des Herzens, eine Güte, eine Hochherzigkeit, wie man sie selten findet. Sein Geist war von bewundernswerter Klarheit, fruchtbar an tiefen Gedanken. Die Abhandlungen, die er verfaßte, sei es über aszetische Stoffe z.B. über die Vaterschaft, sei es über Fragen der Kunst, schrieb er sogleich ins Reine nieder und zwar fast ohne Korrekturen. Sein Glaube war stark und feurig; eine heilige Begeisterung erfüllte ihn für die Sache der Kirche und des Ordens. Er war tief fromm und hatte eine große Liebe zu Christus und zur allerseligsten Jungfrau. »Christus mihi vita« (Christus ist mir Leben)! war sein Wahlspruch. Jetzt ruht er in der Kirche zu Beuron, in der er einst durch die heiligen Gelübde sich Gott geweiht hatte. Requiescat in pace!

Auf der Firmungsreise des Jahres 1914 befiel mich eine ernste Krankheit. Ich mußte die Reise unterbrechen und nach Metz zurückkehren. Drei Wochen lag ich darnieder. Ich glaubte nicht, daß ich die Krankheit überstehen würde, und bereitete mich ernstlich auf den Tod vor. Doch unter der sorglichen Pflege der Schwestern von St. Blandina, wohin ich gebracht wurde, gelang es, des Übels Herr zu werden. Ich genaß. Der Arzt verordnete eine längere Erholung, die ich im stillen Jordanbad im Schwabenlande suchte und fand.

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)