Seite:De Benzler Leben 126.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Unmittelbar vor dem Beginn des Metzer Katholikentages (am 13. August 1913) starb in Beuron Abt-Primas Hildebrand de Hemptinne. Zu meinem Schmerze war es mir nicht möglich, an seinem Begräbnisse teilzunehmen. Mit ihm war ein großer Mann dahingegangen, für mich der beste Freund. Zwanzig Jahre hatte er mit unermüdlichem Eifer gearbeitet zum Wohle des Ordens und seiner Abtei Maredsous. Jedes Jahr kehrte er aus der ewigen Stadt, wo er als Primas in St. Anselm seinen Sitz hatte, zweimal nach Belgien zurück, um einige Zeit in seinem Kloster zu verbringen. Auf der Durchreise versäumte er kaum einmal, in Metz anzuhalten und mich zu besuchen. Das war für mich jedesmal eine große Freude, für den Primas aber sozusagen die einzige Erholung, die er sich gönnte.

Als er die doppelte Bürde eines Primas des ganzen Ordens und eines Abtes von Maredsous nicht mehr zu tragen vermochte, unterbreitete er die Sachlage dem Heiligen Vater Pius X. Dieser entschied, er solle auf die Abtei Maredsous verzichten und sich einzig seinen Obliegenheiten als Primas widmen. Primas Hildebrand gehorchte sofort, obwohl das Opfer seiner geliebten Abtei ihm fast das Herz brach. Als er dann nach Rom zurückkehrte und vom Papste empfangen wurde, war das erste Wort, das der Heilige Vater an ihn richtete, die Frage: »Mi ha perdonato« (haben Sie mir verziehen)? Der Primas war tief gerührt ob solcher Güte.

Im Jahre 1911 unternahm er mit dem Segen des Heiligen Vaters eine Reise nach Nordamerika, um die dortigen Benediktinerklöster zu besuchen. Hier strengte er sich über seine Kräfte an und hatte auch unter der Ungunst der Witterung zu leiden. Er erfreute alle durch seine gewinnende Güte und sein geistreiches Wort und stiftete ohne Zweifel viel Gutes; aber er hatte seine Kräfte überschätzt. Ganz erschöpft kam er zurück. Gleichwohl blieb er nur kurze Zeit in Belgien. Auf der Weiterreise nach Rom machte er, wie gewöhnlich, in Metz Halt, erkrankte aber so ernstlich, daß er über vierzehn Tage zurückbleiben mußte. Der Arzt hielt den Gebrauch einer Kur für nötig, so daß er erst später nach Rom weiterreisen konnte.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_126.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)