Seite:De Benzler Leben 124.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Des anderen Tages besuchten wir das Klösterchen, in dem die heilige Johanna Franziska mit ihren Gefährtinnen das Ordensleben vor dreihundert Jahren begonnen hatte; es befindet sich jetzt im Besitze der St. Josefsschwestern. Nichts ist ehrwürdiger, erbaulicher, als dieses bescheidene Haus. Wir betraten das Zimmer, das die heilige Ordensstifterin jahrelang bewohnt, den Garten, in dem der heilige Franz seine so einfachen und doch so geistvollen Unterweisungen gegeben, das Kapellchen, in dem die ersten Schwestern sich Gott geweiht hatten.

Während bisher die Bischöfe verpflichtet waren, alle vier Jahre die Wallfahrt zu den Apostelgräbern zu machen, verordnete Pius X., daß sie nur alle fünf Jahre dieser Pflicht zu genügen brauchten. Im Jahre 1913 war die bestimmte Frist für mich verflossen. Da Ostern sehr früh eintraf, so konnte ich die Romfahrt vor den Firmungsreisen unternehmen. Unser Weg führte über Padua und Venedig.

In Rom lauteten die Nachrichten über das Befinden des erkrankten Heiligen Vaters günstig, und der päpstliche Majordomus stellte uns eine Audienz in sichere Aussicht. Da trat plötzlich im Befinden des Papstes eine ernste Verschlimmerung ein, die alle Hoffnungen zunichte machte. Wir mußten das große Opfer bringen, und Rom verlassen, ohne den Heiligen Vater gesehen zu haben. Doch machten wir seinem Geheimsekretär, Monsignore Bressan, im Vatikan einen Besuch, um durch dessen Vermittlung dem geliebten Heiligen Vater unsere Huldigung und unsere Wünsche zukommen zu lassen. Ich werde den Eindruck nicht vergessen, den die Demut und außergewöhnliche Bescheidenheit Monsignore Bressans auf mich machten. Zur Freude aller erholte sich Pius X. von dieser schweren Krankheit; seine Gesundheit kräftigte sich wieder. Da kam der schreckliche Weltkrieg des Jahres 1914; er brach dem liebenden Vater das Herz († 20. August 1914).

In demselben Jahre (1913) feierte die Erzabtei Beuron das fünfzigjährige Jubiläum ihrer Gründung. Der Erzbischof von Freiburg,

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_124.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)