Seite:De Benzler Leben 120.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Meine dritte Reise zu den Gräbern der Apostelfürsten machte ich im Jahre 1908 in Begleitung des Generalvikars Dr. Pelt. Auf der Hinreise machten wir dem Erzbischof von Lucca, Kardinal Lorenzelli, einen Besuch; ich hatte ihn kennen gelernt, als er Nuntius in München war. Wir kamen unangemeldet an; trotzdem empfing uns der Kardinal mit ungeheuchelter Herzlichkeit. Er war sichtlich erfreut über den Besuch aus dem Norden und wurde nicht müde, uns seine Erlebnisse aus früherer Zeit zu erzählen.

Wie jedesmal hatten wir auch auf dieser Reise ein offenes Auge für die erhabenen Kunstschöpfungen des Altertums und des Mittelalters. Man muß den Glauben jener Zeit bewundern, die so reiche Mittel in den Dienst einer großen, edlen Kunst stellte, um zur Ehre Gottes, zur Freude und Erbauung der Mitbürger so Herrliches zu schaffen. An dieser Erbauung und Freude durften auch wir teilnehmen; wie die vergangenen, so werden auch die kommenden Jahrhunderte an ihnen teil haben; die Werke des Glaubens sind unsterblich!

In Rom rüstete man sich zur Feier des fünfzigjährigen Priesterjubiläums des geliebten Heiligen Vaters Pius X. Zahlreiche Bischöfe und Gläubige waren von weit her gekommen; auch das katholische Lothringen hatte einen Pilgerzug gesandt. Trotzdem der Heilige Vater mehr als gewöhnlich in Anspruch genommen war, empfing er mich doch schon bald nach meiner Ankunft und gewährte mir eine Audienz, die wohl dreiviertel Stunden dauerte. Er war wiederum die Güte und Herablassung selbst. Die Bitten, die ich ihm vorzutragen hatte, prüfte er eingehend und gewährte sie, indem er selber unter die Schriftstücke die Entscheidung setzte. Ich hatte bei dieser Gelegenheit das Geschenk zu übergeben, das die Metzer Damen dem Heiligen Vater zu seinem Jubiläum darbringen wollten, einen prächtigen Chormantel. Der Heilige Vater nahm das Geschenk gütig an, zollte der schönen Arbeit alle Anerkennung und sagte zu, sich des Gewandes bei Spendung der heiligen Firmung bedienen zu wollen.

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)