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In den ersten Tagen des Dezembers (1871) reiste ich über Frankfurt, Würzburg, München nach Innsbruck, wo bekanntlich Patres der Gesellschaft Jesu Professoren an der theologischen Fakultät der Universität sind. Der Winter hatte inzwischen stark eingesetzt und überdeckte die Fenster der ungeheizten Eisenbahnwagen derart mit seinen Blumen, daß ich auf der Reise von den Herrlichkeiten der Alpenwelt gar nichts wahrnehmen konnte. Es war dunkel geworden, als ich in der Hauptstadt Tirols anlangte. Wie groß war am anderen Morgen mein Erstaunen, als ich die gewaltigen Bergriesen vor mir sich zum Himmel auftürmen sah! Fast unheimlich wurde mir’s zu Mute, da es mir vorkam, als sei ich wie in einem gewaltigen Felsenkeller eingeschlossen, aus dem es anscheinend keinen Ausweg mehr gab.

Die Vorlesungen an der Universität hatten längst begonnen; doch wurde ich von dem damaligen Dekan der theologischen Fakultät, P. H. Hurter S. J. noch zur Immatrikulation zugelassen. Ich belegte die Vorlesungen über Philosophie, Kirchengeschichte und biblische Einleitungswissenschaften. Philosophie dozierte nach dem Kompendium von Tongiorgi der sehr tüchtige P. Wieser S. J. († 22. April 1885); Einleitung gab P. Wenig S. J. († 25. Oktober 1875), der durch seine syrische Chrestomathie bekannt geworden ist, und Kirchengeschichte P. Grisar S. J. Letzterer hatte mit dem neuen Semester seine akademische Lehrtätigkeit begonnen und fesselte eine große Zuhörerschaft durch seine interessanten, gediegenen Vorträge.

In Innsbruck traf ich zwei meiner Münsterischen Mitabiturienten, B. Dörholt, später Dogmatikprofessor in Münster, und Clemens Swiersen, später Pater in Beuron. Letzterer war mir in freundschaftlicher Weise behilflich, die wissenschaftlichen Lücken auszufüllen, die mein verspätetes Eintreffen verursacht hatte.

Ich hätte gewünscht, in das von den Vätern der Gesellschaft Jesu geleitete theologische Konvikt einzutreten; doch, als ich nach Innsbruck kam, waren alle Plätze besetzt. So mußte ich, gleich meinen beiden Münsterischen Mitstudenten, in der Stadt Wohnung nehmen.

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Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_11.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)