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Gebeine sind wahrscheinlich nicht mehr dort, sie wurden schon im siebenten Jahrhundert nach Frankreich in die Abtei St. Benedikt zu Fleury an der Loire übertragen; aber die Asche ist jedenfalls im ursprünglichen Grabe zurückgeblieben, und nirgends habe ich so lebhaft als hier die geistige Nähe des heiligen Ordensvaters empfunden. Es tut der Seele so wohl, dort im Gebete zu weilen, und der Sohn St. Benedikts fühlt sich da so recht daheim, beim Vater!

Mit großem Interesse besuchten wir das von den Beuroner Künstlern ausgeschmückte Turmheiligtum, das einst St. Benedikt und seinen Jüngern als Wohnstätte gedient haben soll. P. Desiderius Lenz hat da mit seinen Genossen ein wahrhaft großartiges Werk geschaffen und St. Benedikt und seinem Orden eine ergreifende künstlerische Darstellung gegeben. Wohl mögen Einzelheiten befremden und als weniger glücklich empfunden werden, aber dem Gesamteindruck können diese Mängel keinen Eintrag tun. Die Komposition ist großartig, die Ausführung so zart und tief empfunden, die Formengebung so klassisch schön, die Farbengebung so harmonisch, daß man dieser einzigartigen Schöpfung die Bewunderung nicht versagen kann.

Inzwischen ist auch die Krypta der Kirche mit dem Doppelgrab des heiligen Benedikt und der heiligen Scholastika, das sogenannte »Soccorpo«, unter Leitung des P. Desiderius aufs prächtigste mit Skulpturen und Mosaiken geschmückt worden. Aus Anlaß ihrer feierlichen Konsekration am 6. Mai 1913 erließ Pius X. ein apostolisches Schreiben, in dem er den künstlerischen Leistungen auf Monte Cassino hohes Lob spendet. »Nicht ohne große Freude«, so heißt es in diesem Schreiben, »haben wir die angenehme Nachricht erhalten, daß am kommenden 6. Mai in der Kirche des Erzklosters Cassino, der Kathedrale dieser Abtei, die herrliche Krypta dem öffentlichen Gottesdienste des christlichen Volkes eröffnet werden soll, die Krypta, in der die sterblichen Überreste des heiligen Benedikt und seiner leiblichen Schwester Scholastika die glorreiche Auferstehung erwarten. Da dieser durch das Gedächtnis jener Heiligen ausgezeichnete

Empfohlene Zitierweise:
Willibrord Benzler: Erinnerungen aus meinem Leben. Kunstverlag, Beuron 1922, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Benzler_Leben_100.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)