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es wieder gefluthet, und sie wären wieder aufwärts getrieben, nahe in die Gegend ihrer Insel, und die armen hungrigen Kinder hätten sich schon gefreut in Erwartung der Rettung. Aber da sei wieder Ebbe eingetreten und die schreckliche Fahrt abermals abwärts gegangen, so daß sie vor trostloser Verzagtheit abermals der Verzweiflung anheim gefallen und fast gewillt gewesen, sich freiwillig vom Dach in die Fluth sinken zu lassen, um nur gleich der grausamen Qual überhoben zu sein. Darüber sei die Nacht wieder gekommen, und der folgende Tag sei ihnen in der dumpfen, stumpfen Verfassung ihres Gemüths vergangen, sie wüßten nicht wie; es habe einige Male gefluthet und geebbt, sie seien wieder etwas aufwärts, aber immer stärker wieder ab- und seewärts getrieben, sonst hätten sie wenig bemerkt; auf Schiffe hätten sie wohl ausgelugt, indeß nur in weiter Entfernung bei Cuxhaven auf der Rhede einige wahrgenommen, hätten aber vor Schwäche und Trübsinn gar nicht versucht, um Hülfe zu schreien, was auch wohl vergebens gewesen wäre. Den Neuwerker Thurm hätten sie noch gesehen; und als sie nun, so ganz verlassen von aller Welt, in die offenbare See hineingetrieben wären, da hätten sie, so gut sie’s vermocht, noch einmal zu Gott um Erlösung gefleht von dieser Qual, nicht um ihr leiblich Leben zu retten, sondern nur um baldiges Ende durch den barmherzigen Tod. Und da hätten sie das Schiff ihres Erretters, Capitain Janssen, gesehen, und Gott hätte ihre Leiden geendet und ihnen das Leben dazu geschenkt, dafür sie ihn ewig preisen müßten.

Wer es ermessen kann, was es sagen will: in solcher steten Todes-Angst, gleichsam im offnen Rachen des Verderbens umhergeworfen, vor Hunger, Kälte und Schrecken erstarrt, zwei Nächte und zwei Tage lang auf morschem Gebälk von Sturmfluthen in die Meereswüste hinaus geschleudert,

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_351.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)