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zu Boden; er wurde schwermüthig und tiefsinnig, und ehe man sich dessen versah, hatte der arme junge Mensch versucht, sich mit seinem Degen ein Leides anzuthun, woran er jedoch von den Dienern des Vaters verhindert wurde. Als nun dieser, statt dem Kranken zarte Pflege augedeihen zu lassen, drei Kerls von der Nachtwache kommen ließ, um seiner zu hüten, da glaubte der Licentiat: sie kämen, um ihn ins Zuchthaus zu bringen. Und heimlich und gewandt wußte er sich eine geladene Büchse aus des Vaters Gewehrkammer zu verschaffen; damit entwich er auf den höchsten Dachboden des Hauses, befestigte seine Hutschnur an das Zünglein des Gewehrschlosses und an einen Nagel der Wand, nahm das Gewehr mit den Händen in die Höhe, setzte die Mündung auf seine Brust, und indem er dann einen schnellen Schritt zurück trat, schoß er sich mitten durchs Herz. Man fand ihn als Leiche.

Was der Vater dabei empfunden hat, weiß man nicht. Aber bekannt wurde, daß er 4000 Thaler der Stadtcasse zu bezahlen sich erbot, wenn E. H. Rath seinem unglücklichen Sohne ein ehrlich Begräbniß in St. Catharinen-Kirche verstatten wolle. Das that er um der Familien-Ehre willen. Senatus war nicht abgeneigt, Ministerium aber protestirte heftig dagegen, und besonders der Jacobitische Pastor Dr. Mayer wollte in seinem bekannten Eifer den Leichnam des armen Lic. Meinssen durchaus dem Scharfrichter zur unehrlichen Einscharrung auf dem Galgenfelde überantwortet wissen. Endlich ward die Sache so vermittelt, daß er zwar nicht in einer Kirche, aber auch nicht unterm Hochgericht, sondern Nachts 2 Uhr auf St. Annen-Kirchhof bestattet wurde. „Handwerker trugen ihn, kein Geistlicher hat ihn begleitet.“ Es war aber ruchtbar geworden, und eine große Menge Volks fand sich zu derselben Stunde vor des hartherzigen Vaters Hause ein und

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_337.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)