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58. Von einem seltenen Meisterstück.
(1464.)

Wer sein Handwerk gründlich versteht und tüchtig betreibt, den muß man loben, und wenn’s der Henker wäre, dessen verzweifelter Kunst man sonst nicht hold ist.

Das war Claus Flügge, ein Freiknecht von riesiger Körperkraft, der muß gelernt haben bei irgend einem Frohnvogt unter den Riesen, der ihm die Schwertstreiche des großen Roland beibrachte, gegen welche der von Meister Uhland besungene „Schwabenstreich“ des Kreuzritters fast ein Kinderspiel gewesen ist. Als Claus Flügge ausgelernt hatte und wußte, was er konnte, nämlich besser henken, schmäuchen, säcken, köpfen, spießen, zwicken, peinigen und stäupen, denn irgend ein Scharf- oder Nachrichter im heiligen Römischen Reiche, kam er auf seiner Wanderschaft oder Kunstreise nach Hamburg, wo E. E. Rath grade in großem Nothstande war, weil er eben 40 Seeräuber zum Schwerte verurtheilt hatte, und sein alter Scharfrichter Tags darauf Todes verfahren war. Was thun? Es war ein mißlich Ding mit einer so großen Execution einen der hiesigen Henkersknechte zu betrauen, deren auch keiner sich der starken Arbeit unterfing. Geköpft aber mußten die armen Sünder alle vierzig am dritten Tage nach erfolgtem Spruch werden; – um noch einen andern bewährten Mann zu verschreiben von Stade oder Buxtehude, dazu gebrach’s an Zeit und leicht war’s unnütz, wenn auch dort grade ein Blutgericht stattfinden sollte.

Und im Volke hieß es: daß wenn zur festgesetzten Stunde einer Execution kein Henker vorhanden sei, nach Altsassischem Gesetze sodann der jüngste Herr des Rathes wohl oder übel das Richt-Amt vollziehen, und das Blut-Urthel, das er hatte finden helfen, auch selbst zur Ausführung bringen müsse. Jüngster

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_142.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)