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mit Gebet und Segen, und mußt ein Beil oder Messer nehmen, das von Henkershänden gebraucht ist, und damit den Bauch der armen Sünderin öffnen, das Kind herausnehmen und seine Finger abschneiden und zu dir stecken. Aber Solches muß durchaus um die Mitternacht vollbracht werden und in vollkommenster Einsamkeit und Schweigsamkeit, so daß auch kein leisester Laut, ja kein Ach! und kein Seufzer über die Lippen des Suchenden gehen darf. So gewinnst du Lichter, die, wann du willst, brennen, und, wie kurz sie auch sind, doch nimmer ausbrennen sondern immer gleich lang bleiben. Diese Zauberlichter haben die sonderliche Natur und Eigenschaft, daß sie augenblicklich brennen, wie und wo ihr diebischer Inhaber nur denkt oder wünscht, daß sie brennen sollen, und eben so geschwind als sein Wunsch und Gedanke erlöschen. Durch ihre Hülfe kann er in der dichtesten finstersten Nacht, wann und wo er will, alles sehen; sie leuchten aber nur für ihn und für keinen andern, und er selbst bleibt unsichtbar, wenn sie auch alles Andre hell machen. Dabei sitzt noch die Gräulichkeit in ihnen, daß sie eine geheime Gewalt über den Schlaf haben und daß in den Zimmern, wo sie angezündet werden, der Schlafende so fest schnarcht, daß man zehn Donnerbüchsen über seinem Kopf losknallen könnte und er doch nicht erwachte. Denke, wie lustig sich da stehlen und nehmen läßt!

Auf diese Weise werden die Diebslichter gewonnen und gebraucht, aber anders der Rabenstein und nicht so gräulich, wiewohl auch ein vom Satan und von seinen Gelüsten verblendetes und verhärtetes Herz dazu gehört, sich den

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_349.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)