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Das glaubte denn Hilderich so gern und wanderte und ritt alle Berge und Thäler rastlos auf und ab, und ließ keine Köhlerhütte und kein Hirtenhäuschen und Strohhalmdach, das er fand, unbesucht und unbegrüßt. Und er fand auch Frauen und Mädchen die Hülle und die Fülle, und auch recht feine und liebliche, aber was er suchte das fand er nicht. So war er eines Tages auch in die wilde Gegend gekommen, wo der alte weise Mann mit der Frau und ihren Töchtern wohnte. Und es traf sich, daß der Alte mit seiner Tochter auf die höchste Bergspitze geklommen war, damit er die Sonne jenseits auf dem Blachfelde untergehen sähe, und siehe! unsern suchenden König hatte seine Sehnsucht auch hieher geführt – und er sah Nanthilden und staunte vor Schrecken und Wonne. Aber in demselben Augenblick war sie auch weg. Denn der Alte schrie bei dem Anblick des Königs Weh mir! und riß sie wie ein Sturmwind mit sich dahin durch das dichteste Gebüsch hinab. Hilderich stand durch Staunen Freude und Schrecken festgebannt, und ehe er sich besinnen konnte, ob sein Gesicht Traum oder Wirklichkeit gewesen, war auch keine Spur des geliebten Bildes mehr da.

Es ward Nacht und der König verlor sich die Nacht im Walde. Er suchte und ließ suchen – keiner fand das Thal, wo der Alte wohnte, und doch, glaube ich, ist vor den Spürenden und Suchenden kein Häuslein oder Füchslein in seinem Lager geblieben. Doch war Hilderich glückselig, denn er konnte sich sagen: ich habe sie wiedergesehen, und endlich werde ich sie wohl finden und behalten. Und damit tröstete ihn auch sein treuer Reginfrid.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_299.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)