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war jetzt eine wunderschöne Jungfrau usd dabei recht inniglich fromm und freundlich.

Prinz Hilderich und Ritter Reginfrid waren endlich an Ende des dritten Jahrs ihrer abentheuernden Ritterschaft zu Hause gekommen, und der alte König hatte sich darüber so gefreut, daß er vor lauter Freuden gestorben war, und so hatte Hilderich nach ihm das Königreich überkommen. Aber er hatte noch ein anderes Königreich im Herzen, das ihm mehr war als die königliche Krone der Franken und Burgunden und das ihm Tag und Nacht keine Ruhe ließ, und das war das liebliche Blumenkindchen, das er in dem einsamen Thale gesehen hatte und das ihm wie ein Wunder erschienen und wie ein Wunder verschwunden war. Wie viel und oft er nun auch auf seinem königlichen Thron sitzen mußte, viel lieber saß er auf der grünen Rasenbank, wo er mit Nanthildchen gesessen und gespielt hatte, und in seinem strohenen Häuschen, wo er sich träumte, daß sie sitzen und mit ihm kosen könnte; und dann seufzete er oft recht schwer: ach! was ist die königliche Krone und aller Glanz der Welt gegen den Glanz der Liebe? Sein redlicher Reginfrid aber tröstete ihn immer mit der Hoffnung, und sprach: Nur immer in den Wald und ins Gebirg, wann ihr Zeit habt, Herr König! als Jäger als Pilger als Gärtner als Köhler als Schäfer und Hirt, kurz in allen Wald– und Feld–Gestalten alle Berge und Thäler in der Runde zwanzig und dreißig Meilen weit durchgewandert und durchgespäht! und wir werden unsre Königin endlich wohl finden. Ich für meinen Theil will auch nicht müßig seyn und treu suchen helfen.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_298.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)