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Und der alte Mann und seine Tochter hatten ein Jahr still in ihrem Thale gewohnt, und Nanthildchen hatte jeden Tag vergebens über den Gartenzaun geguckt, daß ein freundlicher Mann zu Pferde kommen und sie grüßen sollte; aber er war nimmer gekommen. Es kam aber etwas Anderes, das nicht so lieb war, in ihr Häuschen, nämlich eine Frau mit zwei Töchtern. Diese brachte ihr Vater einen Tag mit, und sie blieben da; und er befahl Nanthilden, ste solle die Frau Mutter und die beiden Töchter Schwestern nennen, und sie that das. Aber die Frau hatte kein Mutterherz und ihre Töchter hatten kein Schwesterherz zu Nanthilden, und das fühlte sie wohl und hielt sich deswegen allein zu ihrem Vater. Wie und warum die nun dahin gekommen sind, das weiß ich nicht; genug der Alte hat sie eines Abends mitgebracht und hat die

Frau seine Frau genannt. Die Leute sagen aber, es war nicht seine Frau, sondern die Frau eines Ritters, der vormals im Morgenlande mit ihm gewesen war; und weil dieser sein Freund nun gestorben war, so nahm er die Wittib und ihre Töchter mit in sein Haus, und kleidete sie in köstliche Kleider und hängte ihnen goldne Ringe und Spangen um, und gab ihnen alles, was ihr Herz nur begehren konnte: denn er war sehr reich. Aber auch er war am meisten mit seiner Tochter Nanthilde und nahm sie jetzt manche Nächte mit unter den Sternenhimmel und lehrte ihr die verborgene himmlische Weisheit und was Gott und der Heiland den Heiligen und Frommen in stillen Stunden von oben zuflüstern und zuwinken. Und Nanthilde

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_297.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)