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und dazu nickte. Und man weiß nicht, ob er es nicht verstanden hat. Aber oft hat sie auch über ihn geweint und gejammert und gesprochen: Ach mein armes süßes Dornbüschlein! wie mußt du hier verachtet stehen, und trauren und warten! und ich arme muß zittern, daß einmal ein Beil kommt und haut dich ab und daß einmal ein Thier mit scharfen Zähnen und rauher Zunge dich halb auffrißt und zerreisset. Vor den Beilen und Aexten hatte Mariechen eine unbeschreibliche Angst, und wenn sie sie irgendwo im Walde schallen hörte, konnte sie das Aechzen und Weinen gar nicht lassen. Da hat sie denn das Dornsträuchlein oft so fest umklammert, als wenn sie an ihm sterben wollte, und sich manchen scharfen Dorn in ihre schneeweisse Brust gedrückt, daß es geblutet hat. Und wenn sie solches Blut gesehen, hat sie sich gefreut und es genommen und auf das Sträuchlein gestrichen. Sie meinte, es werde es fühlen, daß es seines Mariechens Blut sey, und sich auch freuen, oder sie hat vielleicht dabei auch an eine Verwandlung gedacht. Er ist aber durch ihr Blut nicht verwandelt worden. So hat das liebe Mariechen zwischen Freude und Trauer den Sommer und Winter hingebracht und immer an sein geliebtes Schlehdornsträuchlein denken müssen. Denn hätte sie nur

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_462.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)