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eine Sirene, und muß ihr in die Arme sinken, er mag wollen oder nicht.

Dies ist so ihre gewöhnliche Art und Leben, aber oft erscheint sie auch in all ihrer Pracht und Herrlichkeit als Königin der Wasser, was sie eigentlich ist. Dann funkelt und blitzt ihr Gewand von den schönsten Perlen und Diamanten, eine goldene Krone strahlt auf ihrem Haupte und ein Scepter nickt in ihrer Hand und schön geschmückte Diener und Dienerinnen, in Farben und Stoffen des Wasserreichs gekleidet, treten vor und hinter ihr her.

Die Seekönigin ist sehr stolzer aber auch sehr verliebter Natur. Das hat mancher schöne Jüngling wohl empfunden und ist darüber nie wieder gesehen worden. Sie liebt nichts als die erste blühende Jugend, die zwischen achtzehn und zwanzig Jahren alt ist; und schön von Gestalt muß das seyn, was ihr gefallen soll. So ist mancher schöne Jägerbursche und mancher lustige Hirtenknabe verschwunden und muß nun in Sehnsucht nach der Sonne, die er nicht mehr sieht, aus den Seeen und Teichen heraufklingen, daß die Menschen, die es hören, stehen und lauschen, und nicht wissen, was der Klang ist und woher er kommt. Denn wehe dem armen Jüngling, der in den einsam dunkeln Wald und in das tiefe Thal kommt, wo

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 437. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_437.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)