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16.
Der Wiedehopf.

So hat Hinrich Vierk einmal vom Schneidermeister Wiedehopf erzählt:

Es begeben sich die wunderbarsten Dinge in der Welt: Könige sind Bettler und Bettler sind Könige geworden und kann man keinem ansehen, was er einst gewesen ist und was er noch werden kann. So ist der Wiedehopf einst ein Damenschneider gewesen, und wer sieht es ihm jetzt wohl an, daß er vormals in feiner und zierlicher Gesellschaft gelebt hat? Er hat in einer großen reichen Stadt gewohnt und sich wie ein hübscher und feiner Gesell gehalten und einen bunten seidenen Rock getragen, und ist von einem vornehmen Hause in das andere und von einem Pallast in den andern gegangen und hat die kostbaren Zeuge und Stoffe, woraus er Kleider machen sollte, zu Hause getragen. Und weil er hübsch und manierlich gewesen ist, haben alle hübsche Frauen ihn zu ihrem Schneider genommen und immer hat er Arbeit bei ihnen gehabt, und auch der Königin, als sie gekrönt werden sollte, hat er den Rock zugemessen. So ist Meister Wiedehopf bald ein sehr reicher Mann geworden und hat doch nicht genug kriegen können, sondern ist immer herumgelaufen

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_425.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)