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Als Trine nun todt war, erzählen die Leute, ist sie immer als Hexe umgegangen und geht bis diesen Tag als Hexe um in der Gestalt einer alten grauen Katze, die man daran kennt, daß sie Augen hat, die wie brennende Kohlen leuchten, und daß sie ganz entsetzlich laut sprühet und prustet, wenn man sie jagt. Sie wird noch alle Mitternächte auf der Stelle gesehen, wo ehedem Trinens Haus war, und heult dort erbärmlich; im Winter aber, wann in den Scheunen und auf den Dächern die wüthigen Katzenhochzeiten sind, ist sie immer voran auf der höllischen Jagd und führt das ganze Getümmel und miaulet und winselt auf das allerscheußlichste. Diese Stimme verstehen die Leute in Putgarden so wohl, daß Alt und Jung gleich rufet: Hört! da ist wieder die alte Trine!

So ist es Trine Pipers gegangen und so geht es vielen Menschen bis diesen Tag. Sie ist eine arme elendige Bettlerfrau geworden und hat ihren christlichen guten Namen verloren, weil sie den bunten Kater Martinichen lieber gehabt hat als Menschen. Denn wenn sie auch keine Hexe gewesen ist, so haben die Nachbarn und Nachbarinnen es doch geglaubt, weil sie sich in ihrer unnatürlichen und häßlichen Liebe zu der unverständigen Kreatur so in des Katers Gemüth und Gebehrden hineingestohlen und hineinvertieft

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_415.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)