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und dabei liefen ihr die hellen Thränen wie brennende Ströme aus den Augen. Als sie so in traurigen Gedanken unter der grünen Eiche saß, wo sie gewöhnlich zu sitzen und zu spielen pflegte, kam mit Einem Male Goldkäferchen hergeschwirrt, der einige Tage nicht dagewesen war, und flüsterte ihr zu: Erdwürmchen willst du luftfahren? Es ist heute der schönste Regenbogen am Himmel und den wollen wir recht nah besehen; aber komm und mache dich gleich fertig! Sie sagte ja und der Wagen kam und sie stieg ein und Goldkäferchen nahm seine goldne Peitsche und klatschte auf die Pferde.

Und die Pferde brauseten im sausenden Galopp davon, so geschwind, geschwind, daß Erdwürmchen Himmel Erde und Meer kaum von einander unterscheiden konnte und von dem schönen versprochenen Regenbogen gar nichts sah. Der muthwillige Kutscher knallte und klatschte in Einem fort und die Gottespferde wieherten und brenschten, und die Luft ging so gewaltig, als wenn Sturmwinde bliesen, Goldkäferchen aber klatschte und sang immer mit heller Stimme drein: O weine nicht, Feinsliebelein! es muß, es muß geschieden seyn! Das arme Erdwürmchen aber hatte nichts anders zu thun als sich nur festzuhalten; denn jetzt kam ihr die Fahrt wirklich so vor, als sollte alles aus einander

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_348.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)