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Boden floß. Und o Wunder über alle Wunder! in demselben Augenblicke, wie sie von dem Blute ganz umflossen war, stand die allerschönste Jungfrau da: Schneeflöckchen war wieder ein Mensch geworden.

Der Prinz hatte sich so erschöpft und verblutet, daß er in Ohnmacht hingesunken war. Schneeflöckchen warf sich mit tausend Thränen auf ihn, riß ihm den Panzer auf und trocknete das Blut seiner Wunde mit ihren schönen langen blonden Locken ab; sie beweinte ihn fast schon wie einen Todten. Als sie so über ihm lag und klagte und schluchzete, siehe da schlug der Prinz die Augen auf und athmete wieder und sah sein allerliebstes süßestes Kind, um welche er nun so manches Jahr in der Welt herumgeritten war. Und es war ihm bei dem Anblicke, als ob neue Kräfte sich durch alle seine Adern gößen und er neu gebohren wäre, und er fühlte seine Wunde nicht mehr noch wie das Blut herabrieselte, sondern sah nur das liebliche Schneeflöckchen und küßte und herzte sie. Sie aber schnitt ihr Hemdchen inzwei, wo es ihr um das Herz lag, und legte das auf die Wunde, und das Blut ward gleich gestillt. Die Wunde war wohl tief, aber nicht tödtlich, was sie leicht hätte werden können, wenn sie einen Zoll tiefer gedrungen wäre; denn der Riese hatte grade auf sein Herz getroffen.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 333. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_333.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)