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Treue? Wahrlich wenn der Strudel diese kleine Brut untertauchte, die Mutter tauchte ihnen nach und stürbe oder holte sie herauf. Und Schneeflockchen auf seinem Herzen fühlte, was er drinnen bewegte, und mußte ihm in der innern Seelenangst wieder Rock und Panzer sprengen, und klingend flog das Fläschchen gegen einen Stein und das Tröpfchen goß sich in den Strom und zischte leise, wie wenn man heisses Wasser in kaltes gießt, und floß mit den reissenden Wellen dahin. Und der Prinz stürzte sich wie ein Blitz ihm nach in den Strom und kämpfte mit dem Strudel und tauchte sich auf und ab und rang mit Tod und Leben, und füllte seine Hände mit allen Wassern, bis er das zischende Tröpflein wiedergefunden hatte, das er wie eine brennende Kohle in der Hand fühlte. Dann schwamm er ans Land und sank erschöpft hin; das Tröpfchen aber hatte ihm wieder ein Loch gebrannt. Und als er wieder zu sich kam, war er zerschellt an allen Gliedern von den Felsen, woran er sich zerstoßen hatte, und die Wunde in der Hand schmerzte, aber seine Seele jauchzete in Wonne. Und Schneeflöckchen war auch in Entzücken über seine tapfere Treue. In der nächsten Stadt aber fing er sein Tröpfchen wieder ein, legte sein Fläschchen aufs Herz und ritt weiter.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 329. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_329.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)