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eine ungewöhnliche Zartheit und Weichheit des Gemüthes und in seinen großen und schwarzen Augen lag eine Wehmuth und Schwärmerei, welche dem alten Könige bange machten; so daß er zu seinen Weisen und Räthen wohl zuweilen zu sagen pflegte: Der Knabe muß strenge erzogen werden und immer unter Menschen und im vollen Getümmel seyn; er könnte sonst ein Träumer oder Sternseher werden, welche die schlechtesten Könige sind, oder die Liebe, die verderblichste und gefährlichste aller Leidenschaften, könnte ihn ganz aus der Bahn der Tugend treiben. Alle Gebehrden, alle Bewegungen des Prinzen waren eben so sanft und zart, als seine Seele, und sein Stimmchen klang leise und lieblich wie ein Sommerlüftchen, wenn es durch Maiblumen hinspielt. Deswegen ward er Prinz Bisbiglio genannt, welches zu teutsch so viel heißt als Gelispel.

Als Prinz Bisbiglio vier Jahre alt geworden war, that der König sein Vater ihn nicht in die Einsamkeit zu einem Weisen, wie die Könige im Morgenlande zu thun pflegen, die da glauben, im Getümmel der Hauptstadt und im Glanze und der Ueppigkeit des Hoflagers könne schwerlich jemand zur strengen Tugend gezogen und geübt werden, sondern er schickte ihn zu einem alten grauen Kriegsmann, der mit einer reisigen Kriegsschaar immer auf der Warte lag

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_321.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)