Seite:De Arndt Mährchen 1 316.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


     Ach! ihr Elfen! ach! ihr Zwerge!
Was verkünd' ich euch die Pein?
Ihr seyd hart wie eure Berge,
Ihr seyd kalt wie euer Stein.
Denn was nie an Menschenherzen
In der süßen Liebe lag,
Ahndet nichts von diesen Schmerzen,
Dieser Sehnsucht, dieser Schmach.


So hatte Schneeflöckchen eine lange lange traurige Zeit in den düstern Berghallen gelegen und den stummen Steinen und gefühllosen Wassern und Lüften, die vorbeirauschten, ihr Leid geklagt, da kam der Winter wieder und öffnete die Thore und trieb seine leichtgeflügelten Schaaren in die Welt hinaus. Und Schneeflöckchen flog mit den andern aus und mußte wieder nach Liebe durch die Welt umherfliegen; und die leichten Winde kamen und nahmen sie mit und trugen sie über Länder und Meere hin. Einmal lag sie bei diesen Reisen auf dem Gipfel des kalten Kaukasus und seufzete und ächzete jämmerlich in dem bitteren Gefühle ihrer Verlassenheit unter den kalten lieblosen Gesellen, mit welchen sie leben mußte. Und als Schneeflöckchen hier zum Sterben krank war vor Liebe, da hörte sie unter sich in einer Bergschlucht jemand so jammervoll stönen und klagen, daß einem Stein davon das Herz hätte springen

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_316.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)