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und sperrte sie alle in den Tiefen und Höhlen der alten Berge ein, daß sie da lägen, bis er wieder auf die Erde emporkäme.

Da lag nun Schneeflöckchen den schönen Frühling und den warmen Sommer und Herbst und verlebte ihre Stunden in Sehnsucht und Traurigkeit: in Sehnsucht, denn alle Erinnerungen waren in ihrem dünnen Scheeleibchen geblieben: in Traurigkeit, denn sie zweifelte, ob sie jemals Liebe finden würde. Da hat sie manche wehmüthige Töne geflüstert und manches traurige Liedlein geächzt, die allein die stummen Felswände gehört haben. Also klang eines der Liedlein, das sie oft schmerzenvoll sang und das ein tiefer Durchklang ihres Schicksals zu seyn schien:


     Geister in den dunklen Höhlen,
Geister in der tiefen Nacht,
Habt ihr Liebe, habt ihr Seelen,
Gebt auf meine Klagen Acht,
Die ich seufze, die ich weine
In der stummen Einsamkeit,
Ferne von dem Sonnenscheine,
Von des Lebens Lieblichkeit.

     Aus der süßen Welt verstoßen,
Welche warme Herzen hat,
mit den Stürmen mit den Schloßen
Flieg' ich schaurig meinen Pfad;

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_314.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)