Seite:De Arndt Mährchen 1 289.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das war aber das Besonderste bei dieser Verwandelung, daß Sandkörnlein und Spinnwebchen das Goldringelein unter sich in die Erde scharrten und sich darauf legten.

Die alte Hexe war eine zu gute Künstlerin, als daß sie nicht sogleich gewußt hätte, was es war, und daß eine andere Kunst gegen sie im Spiele sey. Sie band ihren Dummkopf los und begann dann zu suchen. Sie flog als Vogel sie kroch als Kröte, sie lauschte als Katze, sie guckte als Eule, sie schlich als Schlange, sie schlüpfte als Maus und Wiesel in jedem Winkel herum, sie ließ kein kleinstes Gräschen und Kräutchen unberührt, ob sie ihm nicht etwas abfühlen könnte, sie durchsuchte jedes Löchlein und jede Ritze – und fand nichts. Denn das steckte in ihrem Hexenblute, hätte sie das Verwandelte berührt, sie hätte es strax merken müssen. Sie konnte es aber nicht berühren; denn vor dem Sandkörnlein und Spinnweb fühlte sie einen innerlichen Schauder und durfte ihnen nicht nahe kommen. Und sie hatte so den Tag gesucht und die ganze ausgeschlagene Nacht, und nichts gefunden. Und das Morgenroth dammerte in Osten, und sie mußte fort; und sie rief, als sie die Gartenpforte zumachte: Nur Geduld, mein sauberes Kräutchen! du sollst mir nicht entrinnen; was ich heute nicht geschafft, schaff’ ich ein anderes Mal.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_289.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)