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so machen sie reich an Liedern und Träumen und fröhlichen Gesichten und Fantasien. Und das sind wohl die besten Schätze, die ein Mensch gewinnen kann. Das kann man für gewiß sagen, daß, wer unter ihrem Schutze steht, vor vielem Leide geborgen ist. Ich will davon eine kleine Geschichte erzählen, sie heißt die Geschichte von dem Lilienmädchen.

Mitten zwischen hohen Alpen, auf welchen das Eis und der Schnee nie ganz geschmolzen wären, wenn die Sonne um Johannis, wo die Tage am längsten sind, auch die vollen vier und zwanzig Stunden am Himmel stände, lag unten in tiefer Verborgenheit ein grünes Thal, wo es nie schneiete noch fror und wo gleichsam ein ewiger Lenz war und die Nachtigallen nie aufhörten von Liebe zu singen und zu klagen. In diesem Thale war ein wunderschöner Garten mit einem hellen krystallenen Schlosse und mit so schönen Blumen, als man sie nirgends auf Erden gesehen hat. Die Rosenbüsche standen hier so hoch und wölbig als die Eichen und die Lilien als die höchsten Tannen, und es war alles über die Maaßen fein und wunderbar. Das wunderbarste in dem wundersamen Garten war aber ein wunderschönes Mägdlein, welches das Lilienmädchen hieß, weil es am meisten unter den Lilien spazieren ging, und weil es ein Liedchen viel

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_256.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)