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daß sie Dienerin war und ihre fünfzig Jahre aushalten mußte und daß sie mit ihm nicht fort konnte. Und der Schmerz ward so gewaltig in ihr, daß sie endlich laut weinen und schluchzen mußte, und er sie nun fragte, was ihr sey, er wolle ja gern mit ihr fortziehen, ja durch die ganze Welt mit ihr, wohin sie wolle. Da antwortete sie ihm: Ach! du bist hier der Herr und kannst es; aber ich bin die Dienerin und muß nach dem strengen Gesetze, das hier gilt, aushalten, bis die fünfzig Jahre um sind. Und was soll ich dann auf der Erde thun, wann Vater und Mutter lange todt und die Gespielen alt und grau sind? und du bist dann auch grau und alt; was kann es mir da helfen, daß ich hier jung bleibe und nicht älter werden kann als zwanzig Jahre? Ach! ich arme Lisbeth!

Sie sprach diese Worte so kläglich aus, daß sie einen Stein hätte rühren können. Und in Johanns Ohren tönten sie wie Donnerschläge, und er ward auch sehr traurig. Denn das fühlte er wohl, ohne sie konnte er von hier nicht gehen – und er konnte doch in seiner Seele nirgends einen Ausweg finden. Sie schieden also, als sie heimgekommen waren, sehr traurig voneinander. Johann aber drückte Lisbeths Hand an sein Herz und küßte sie viel tausendmal und sagte ihr: Nein, liebe Lisbeth, ohne dich geh ich nimmer von hier,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_201.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)