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die sie in ihrer Kindheit oft gehört hatte, und sie gedachte damit ihre Unschuld und daß der polnische Prinz sie unter einem falschen Schein schändlich belogen hatte, sonnenklar zu beweisen. Und als darauf ihr Wächter kam und ihr die Speise durch das Loch reichte, sprach sie zu ihm: Lieber Wächter, gehe zu dem Könige, meinem und deinem Herrn, und sage ihm, daß seine arme einzige Tochter ihn nur noch ein einziges Mal zu sehen und zu sprechen wünscht in ihrem Leben, und daß er ihr diese letzte Gunst nicht versagen mag.

Und der Wächter sagte ja und lief, und dachte bei sich: wenn der alte König ihre Bitte nur erhört! Denn es jammerte ihn die arme Prinzessin unaussprechlich, und sie jammerte alle Menschen; denn sie war immer sehr freundlich gewesen gegen Jedermann, auch hatten die meisten von Anfang an geglaubt, daß sie fälschlich verklagt war, und daß der polnische Prinz einen argen Lügenschein auf sie gebracht hatte: denn sie hatte sich immer aller Zucht und Jungfräulichkeit beflissen vor Jedermann.

Und als der Wächter vor den König trat und ihm die Bitte der Prinzessin anbrachte, da ward der alte Herr sehr zornig und schalt ihn und drohete ihm, ihn selbst in den Thurm zu werfen, wenn er den Namen der Prinzessin

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_019.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)