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hatte. Und Svanvithe hätte sterben müssen vor Jammer, wenn sie nicht gewußt hätte, daß sie unschuldig war, und wenn sie nicht zu Gott hätte beten können. Sie war aber war ein sehr junges Kind, als sie eingesperrt ward, erst sechszehn Jahre alt, schön wie eine Rose und schlank und weiß wie eine Lilie, und die Menschen, die sie lieb hatten, nannten sie nicht anders als des Königs Lilienstängelein. Und dieses süße Lilienstängelein sollte so jämmerlich verwelken in der kalten und einsamen Finsterniß.

Und sie hatte wohl drei Jahre so gesessen zwischen den kalten Steinen, und auch der alte König war nicht mehr froh gewesen seit jenem Tage, als der polnische Prinz sie in die große Schande gebracht hatte, sondern sein Kopf war schneeweiß geworden vor Gram, wie der Kopf einer Taube; aber vor den Leuten gebehrdete er sich stolz und aufgerichtet und that, als wenn seine Tochter todt und lange begraben wäre. Sie aber saß von der Welt ungewußt in ihrem Elende und tröstete sich allein Gottes und dachte, daß er ihre Unschuld wohl einmal an den Tag bringen würde. Weil sie aber in ihren einsamen Trauerstunden Zeit genug hatte, hin und her zu denken, so fiel ihr die Sage ein von dem Königsschatze unter dem Gartzer Walle,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_018.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)