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nicht ungleich geschienen. Als ich mich aber im Bett aufgerichtet dieses Gesichte desto besser zu betrachten, wurde ich gewar, daß nicht allein zwei davon auf die Wiegen gefallen waren, sondern es hatte sich auch eines auf meine linke Hand und zwar an den also genannten Goldfinger, eben an dem Ohrt, da man die Ringe zu tragen pfleget, unversehens gehänget. Solches hat mir nun, als etwas Ungewöhnliches, endlich mehr Entsetzen dann vorhero, allmählich verursacht, daß ich nicht nur mit der Hand samt dem Liechtlein, sondern zumal mit dem ganzen Leib unter die Decke gefahren, worauf sich, da ich bald hernach wieder herfürschaute, alle solche Liechtlein gänzlich verloren. Welche Erzehlung gar kein Traum, sondern ein wahrhaftes Gesicht gewesen, indem ich völliglich gewacht und nach diesem weder selbsten noch meine mitwachende Seelig Ehfrau biß an den verlangten hellen Morgen uns einigen Schlaf in die Augen kommen laßen.“ JHofmann sprach mit Verständigen, mit Theologen darüber, allein deuten wollte ers gerade nicht. Den Sonntag darauf feierte er mit den Seinigen in Buße und mit Genuß des Abendmahles, fiel im aber nicht ein, daß das Vorzeichen, Todesboten seiner Frau und eines seiner zwei Kinder sei. „Aberglaub“ wär es, die Deutung selbst zu machen!


5[WS 1] SPUK IM HORNBERGER DIACONATSHAUSE

Friedrich Aug. Köhler, geb. 1759, der bekannte Altertumsforscher, † als Pfarrer in Marschalkenzimmern, war ein feinfülender Sammler und Kenner von Volkssagen. Er unterließ auch nicht auf eine Spukgeschichte zu verweisen, die wärend seinen ersten Lebenstagen dem 1. Vater zu schaffen machte. Diser pflegte biß Mitternacht zu lesen. Oft sei er gestört worden durch etwas, was in der Stube umherhuckte, aber beim hellsten Lichte nicht gesehen werden konnte. Er habe den Stock genommen und sei dem nachgegangen, es sei hinter den Ofen der Stube verschwunden, da wo der starke aus Eisendrat bestehende Haustür-Aufzug hinunterlief. Da fiel es durch eine winzige Oeffnung hinunter als obs ein schwerer Sack gewesen wäre. So gewönte sich Köhlers Vater an den Spuk und kümmerte sich zulezt gar nicht mer darum. Einmal habe deutlich gerufen, wie eine Kindesstimme: Deck auf! Die eben erwachte Mutter zog den Vorhang, deckte das Bogentuch der Wige auf, das Kind wachte, war erschrocken, lächelte aber gleich wider. Wie Schillers Wallenstein es als gutes Omen ansah, glückverheißend, daß er bei einem Fenstersturz zu Burgau mit heiler Haut davon kam, so unser Köhler. Einer Näherin gab eines Tages, als Besuch zu Hause war, die Mutter das einjärige Kind auf den Arm, es schellte unten an der Haustüre, sie will hinausschauen und wärend dessen jukte das Kind über die Arme, fiel 3½ Fuß hoch kopflings zu Boden: tat im aber nicht das geringste!

ABIRLINGER     

Anmerkungen (Wikisource)

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Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XIV. Marcus, Bonn 1886, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XIV_294.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)